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Fünf Dörfer werden eine Stadt - zur Gemeindereform 1975

1. Die Gemeindereform in Baden-Württemberg

Der Zusammenschluss der fünf ehemals selbstständigen Gemeinden Bernhausen, Bonlanden, Harthausen, Plattenhardt und Sielmingen zu einer Stadt vollzog sich bekanntlich im Zuge einer umfassenden, landesweiten Gemeindereform. Diese war wiederum Teil einer umfassenden Verwaltungsreform in Baden-Württemberg zwischen 1968 und 1975, von der auch die Landkreise, die Regierungsbezirke sowie zahlreiche weitere Institutionen betroffen waren.

Sitzung bei der Gemeindereform von 1975

 Als Kernstück und zugleich als schwierigstes Projekt galt die Gemeindereform. Von den ursprünglich 3379 Gemeinden in Baden-Württemberg blieben 1975 noch 1111 übrig. Es kam nicht nur zu Eingemeindungen, viel häufiger war die Zusammenlegung von ehemals selbstständigen Gemeinden. Rund 180 neue Ortsnamen entstanden durch die Reform.

Was waren die Gründe für diese radikale ”Flurbereinigung” ? Bis auf einige Eingemeindungen im Umkreis der Großstädte blieben die Gemeindegrenzen von Anfang des 19. Jahrhunderts nahezu unverändert. Über die Hälfte der Gemeinden in Baden-Württemberg hatte weniger als 1000 Einwohner, ein starkes Viertel (955) sogar weniger als 500 Einwohner.

Ein Großteil dieser Klein- und Kleinstgemeinden war ehrenamtlich verwaltet, allerdings wurde vieles nicht in der Gemeinde, sondern durch das betreffende Landratsamt entschieden.

Ein wichtiges Ziel der Reformer war nun, dass auch im ländlichen Raum die wesentlich gestiegenen Bedürfnisse der Bürger nach guten Wohn- und Straßenverhältnissen, leistungsfähigen Kindergärten und Schulen, Freizeiteinrichtungen, Sportanlagen sowie nach Kultur- und Sozialeinrichtungen befriedigt werden sollten. Dies erforderte aber eine gewisse Mindestgröße für die Gemeinden. Durch Zusammenlegung kleinerer Gemeinden sowie der Bildung von Verwaltungsgemeinschaften sollten auch im ländlichen Raum Einrichtungen verschiedenster Art möglich werden, welche sich Kleinstgemeinden aus eigener Kraft nicht hätten leisten können. Die Reformer erhofften sich, dass sich auch auf dem Lande bessere Lebensbedingungen herstellen ließen.
Ein weiterer Gesichtspunkt war, dass aufgrund der immer mehr zunehmenden Aufgaben für die Gemeindeverwaltungen hauptamtliches und fachlich ausgebildetes Personal notwendig wurde.

Die Landesregierung hoffte, dass möglichst viele Gemeinden sich freiwillig zusammenschließen würden. Tatsächlich hatte sich zwischen 1968 und 1973 die Zahl der Gemeinden um 1236 verringert. Nach dieser Phase beschleunigte die 1972 neu gebildete Landesregierung die Gemeindereform. Nach der Auswertung der Stellungnahme der Gemeinden und Landratsämter zu den vorgesehenen neuen Gemeindegrenzen (die so genannte ”Zielplanung”) wurde am 13. Juli 1973 diese (teilweise leicht veränderte) Zielplanung für verbindlich erklärt. Bis Mitte 1974 hatten die Gemeinden die Möglichkeit eines freiwilligen Zusammenschlusses, welcher durch eine Prämie gefördert wurde. Für die übrigen Gemeinden wurde im Juli 1974 hingegen zwangsweise ein Zusammenschluss per Gesetz vorgeschrieben, dies war allerdings nur in 251 Fällen notwendig (gegenüber 2017 Gemeinden, die freiwillig ihre Selbstständigkeit aufgegeben hatten).

2. Die Gemeindereform auf den Fildern: Das "Stadt-Umland-Problem"


Ein Sonderfall stellte die Situation im Umland der Großstädte dar, das so genannte Stadt-Umland-Problem. Die Umlandgemeinden sollten sich zu Gemeinden zusammenschließen, dass sie nach ihrer Leistungs- und Verwaltungskraft zu einer wirksamen Entlastung der Kernstadt beitragen und ihr als ”große und leistungsfähige Partner” gegenübertreten könnten. Als Mindesteinwohnerzahl waren hier 20.000 Einwohner vorgesehen.
In den 1950er und 1960er Jahren setzte eine stürmische Siedlungsentwicklung im Großraum Stuttgart ein, gerade auf den Fildern kam es zu einem rasanten Bevölkerungsanstieg. Die Umlandgemeinden wuchsen zu leistungsfähigen großen Gemeinden, die von den zahlreichen sich dort ansiedelnden Industriebetrieben profitierten, andererseits partizipierten sie von den hochwertigen Einrichtungen der nahe gelegenen Großstadt. Zudem wurde eine übergeordnete Planung für die Umlandgemeinden vermisst, die der zu beobachtenden Zersiedlung gegensteuern konnte. Als Konsequenz wurden deshalb seit Anfang der 60er Jahre Modelle diskutiert, wie z. B. eine ”Regionalstadt”, d.h. dass der gesamte Großraum Stuttgart unter eine einheitliche Verwaltung kommen sollte, mit anderen Worten, es war an eine Eingemeindung der unmittelbar angrenzenden Gemeinden gedacht.

Ende der 60er Jahre setzte hingegen ein Umdenken ein, statt der Bildung einer Regionalstadt sollten sich die Umlandgemeinden zu größeren Einheiten zusammenschließen. Als Untergrenze sollte eine Einwohnerzahl von 20.000 gelten. Der Stadt Stuttgart sollten ”große und leistungsfähige Partner” gegenüberstehen, wie es der damalige Innenminister Schieß 1972 ausdrückte. ”Kleine Gemeinden haben keine Chance mehr”.

Als notwendige Ergänzung zur Zusammenlegung sollte für die übergeordnete Raumplanung ein Nachbarschaftsverband Stuttgart mit der Stadt Stuttgart und 26 Umlandgemeinden mit insgesamt 1,3 Mio. Einwohnern gegründet werden.

Bereits in der Zielplanung der späten 60er Jahre sollten die Filderorte in drei große Verwaltungseinheiten gegliedert werden, nämlich eine westliche, mittlere und östliche Filderstadt, wobei sich das Aussehen der östlichen Filderstadt gründlich wandelte. Die Pläne einer Einbeziehung von Neuhausen und Denkendorf wurden schließlich fallengelassen.

Auf den mittleren Fildern stieß allerdings die so genannte ”Fünfer-Lösung” auf wenig Gegenliebe. Schon seit den 60er Jahren hatten die Gemeinden Bonlanden und Plattenhardt einen gemeinsamen Flächennutzungsplan erarbeitet und mit dem Bau eines gemeinsamen Schul- und Sportzentrums begonnen. Auch die Gemeinden Bernhausen, Sielmingen und Harthausen hatten 1970 einen gemeinsamen Ausschuss gebildet.

Die Landesregierung setzte zunächst auf die Freiwilligkeit von Zusammenschlüssen von Gemeinden, die durch Prämien gefördert wurden. Bei der Erörterung mit Innenminister Schieß am 4. Dezember 1972 in Wernau zeichnete sich keine Bereitschaft zu freiwilligen Zusammenschlüssen ab. Anfang März 1973 legte die Landesregierung ihre Konzeption zur Neuordnung der Verwaltungsregion Mittlerer Neckar vor, diese sah nun eindeutig die Fünfer-Lösung vor.

Bei einer am 20.Januar 1974 durchgeführten Bürgeranhörung, die vom Gesetzgeber vorgeschrieben, aber für die Landesregierung nicht verbindlich war, sprach sich nur die Bernhäuser Bevölkerung ausdrücklich für einen Zusammenschluss aller fünf Gemeinden aus. Die Bonländer und Plattenhardter Bevölkerung plädierten für einen Zusammenschluss nur dieser beiden Gemeinden, Sielmingen wollte ganz selbstständig bleiben, Harthausen stimmte für die Dreier-Lösung gemeinsam mit Bernhausen und Sielmingen.

Die Landesregierung blieb bei ihrer Position, so dass den Gemeinden nichts anderes übrig, als sich "freiwillig" zusammenzuschließen, zumal eine Fusionsprämie von 1,76 Mio. DM winkte. In vier umfangreichen Verhandlungsrunden rangen Bürgermeister und Gemeinderäte um die Details des Zusammenschlusses. Am 4. Juni 1974 unterzeichneten die fünf Bürgermeister in der Rundsporthalle die gemeinsame Vereinbarung über den Zusammenschluss zum 1. Januar 1975.

3. Die Anfänge der neuen Stadt

Die Bürgermeister und Gemeinderäte der fünf Gemeinden berieten in insgesamt fünf sehr intensiven und oftmals auch schwierigen Verhandlungsrunden über die Konkretisierung der neuen Stadt.

Der neue Stadtname

Eines der schwierigsten Probleme war die Namensfindung der neuen Stadt. Im Mai 1974 wurde deshalb die Bevölkerung zu einem Wettbewerb über Namensvorschläge aufgerufen, zu dem rund 450 Einsendungen eingingen.

Der als Sachverständiger zugezogene Volkskundler Prof. Dölker empfahl den Namen ”Fildergarten”. Demgegenüber entschieden sich die Mitglieder der fünf Gemeinderäte in einer Kampfabstimmung mit fünf (!) Durchgängen für den Namen ”Filderlinden” in Anlehnung an die Drei Linden bei Harthausen.

In Bernhausen, aber auch in Bonlanden und Plattenhardt regte sich bald Widerstand, hier wollte man sich nicht mit diesem Namen abfinden, sondern favorisierte den Namen ”Filderstadt,” zumal dieser Name beim Namenswettbewerb am häufigsten (58 Mal) genannt worden war. Allerdings war eine Namensänderung nur durch eine Bürgerbefragung möglich. So verstrich der 1. Janaur 1975, und die neue Gemeinde trug den Namen ”Filderlinden”.

Vor allem durch den Gewerbe- und Handelsverein Bernhausen wurde nun intensiv mit Flugblättern für die Namensänderung geworben. Die Bürgerbefragung fand zeitgleich mit den Gemeinderatswahlen am 20. April 1975 statt. Das Abstimmungsergebnis war eindeutig: Knapp 64% stimmten für den Namen Filderstadt, 20% für Filderlinden. Der Gemeinderat stellte daraufhin beim Innenministerium den Antrag auf Namensänderung. Diese wurde am 25.Juli 1975 genehmigt, so dass die neue Stadt alsbald umbenannt werden konnte.

Literatur:
Nikolaus Back: Von Filderlinden nach Filderstadt. Die Gemeindereform von 1975. Filderstadt 2000. (Filderstädter Schriftenreihe Band 14).

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